Andrin Gulich

Der 22-jährige Andrin steht kurz vor seinem bisherigen Karriere-Höhepunkt – der Olympia-Teilnahme in Tokio. 

Zuletzt konnte er den Schweizer Vierer-ohne an der Ruder-EM in Varese als Schlagmann vertreten. Zusammen mit Joel Schürch, Paul Jacquot und Markus Kessler verpasste Andrin den Einzug in den A-Final nur um winzige 4 Hundertstel, wobei dieses Rennen nur als Standortbestimmung vor dem Saison-Highlight den Olympischen Spielen, zu werten war.


 Um dieses Ziel zu erreichen, liegt der Fokus von Andrin aktuell komplett auf dem Rudersport. Denn eigentlich studiert Andrin an der renommierten Yale University in New Haven im Bundestaat Connecticut. Wie so viele andere Sportler und Studenten auch, durchkreuzte Corona auch Andrin’s Pläne, weshalb er im März 2020, als der Campus schloss, den Weg nach Hause antreten musste. Bis Jahresende absolvierte er seine Kurse, die ihn zum Abschluss in Wirtschaft und Datenwissenschaft führen, online. Nun hat er das letzte Semester verschoben und wird das Studium im Frühling 2022 beenden. Die Diplomfeier ist für Mai nächsten Jahres geplant. Nun steht aber zuerst der grosse Traum von Olympia an, weshalb er momentan vollumfänglich im nationalen Leistungszentrum in Sarnen trainiert. 

Andrin, du warst als Junior bereits äusserst erfolgreich unterwegs und hast auf dieser Stufe sowohl Europa- als auch Weltmeistertitel errungen. Was hat dich dazu bewogen, ein Studium im Ausland respektive in den USA anzutreten? 


Die Möglichkeit, das Studium und den Spitzensport auf höchstem Niveau zu kombinieren, ist in den USA einzigartig und war ausschlaggebend für den Entscheid, mein Studium dort zu absolvieren. 
 

Was sind deine bisherigen Eindrücke, was das Level sowie die Trainingsbedingungen am College angehen? Hattest du bereits vor deinem Start ein konkretes Bild vom sportlichen Niveau? 

 

Ich durfte vor meiner Uniwahl während eines «Official Visits» verschiedene Unis besuchen und konnte mir so ein Bild vom Campus und den Trainingsinfrastrukturen machen. Die Trainingsbedingungen lassen eigentlich nichts zu wünschen übrig. Von Indoor Trainings-Möglichkeiten zu flachem Wasser und guten Physiotherapeuten haben die Unis alles zu bieten. Die Ruderer an den amerikanischen Unis sind in ihrer Altersklasse Weltspitze und nicht wenige gewinnen jeweils Medaillen für ihre Herkunftsländer an der jährlichen U23-WM. 


Nun studierst du seit 2017 an der renommierten Yale University in den USA und kommst dabei in den Genuss von College-Ruder Erfahrung. Wie kam es dazu, dass du dich für Yale entschieden hast? Gab es Angebote anderer Universitäten? Welche Kriterien waren für dich ausschlaggebend bei der Wahl deines Colleges? 

 

Ich durfte verschiedene Universitäten anschauen gehen und war mit mehreren Coaches in Kontakt. Ausschlaggebend für Yale waren schlussendlich die Leute, welche ich vom Team kennengelernt habe, aber auch der sportliche Erfolg und das gute Bauchgefühl, welches ich während meines «Official Visits» hatte. 

Grundsätzlich gilt die 2k ergo-Zeit als wichtigstes Rekrutierungskriterium für das College.  Welche Kriterien werden nebst dieser Leistungsindex von Coaches bewertet? 

 

Als potenzieller «Recruit» ist man während dem gesamten Recruiting-Prozess in ständigem Austausch mit den Coaches. Nebst der 2k Ergo-Zeit beobachten die Coaches auch die Resultate von nationalen sowie internationalen Rennen und können auch Rudervideos von den Recruits verlangen. 


Wie ist dein Verhältnis zu deinem Coach – der in den USA ja schon beinahe Kultstatus geniesst? 

 

Steve Gladstone ist ein grossartiger Coach, welcher mir geholfen hat, mich sowohl als Athlet als auch Person weiterzuentwickeln und zu entfalten. 

 

Nimm uns doch bitte kurz mit in deinen College-Alltag – wenn nicht gerade Covid dazwischenfunkt. Wie bringst du den Sport und das Studium erfolgreich unter einen Hut? 

 

In der Regel haben wir pro Tag zwei Trainings und drei Vorlesungen. Zudem gibt es im amerikanischen Unisystem unter dem Semester zahlreiche Abgaben von «Problem Sets» und «Papers» sowie viele Zwischenprüfungen. Um all dies unter einen Hut zu bringen, braucht es ein gutes Zeitmanagement und viel Disziplin. Die Abschlussprüfungen sind aber glücklicherweise so gelegt, dass sie unserem Training und Regattakalender nicht in die Quere kommen. 
 

Inwiefern unterscheidet sich das Rudern in den USA und der College Sport generell von deinen Erfahrungen in der Schweiz?

 

Der grösste Unterschied zur Schweiz ist die Grösse des Teams, was einen wesentlichen Einfluss auf das Athletenleben hat. Wir sind ungefähr 45 Personen in unserem Team und stellen jeweils fünf Achter an einer Regatta. Tagtäglich mit so vielen gleichgesinnten Ruderer zu trainieren, motiviert extrem und spornt einem an, stetig an sich zu arbeiten, um neue Bestleistungen liefern zu können. 

Nun hast du dir tatsächlich einen Platz im Schweizer Olympia Boot gesichert. Wie hast du es geschafft, trotz deinem Studium in den USA und der damit verbundenen physischen Absenz diesen Weg zu gehen? Wie waren dein Kontakt und Austausch mit den Verantwortlichen in der Schweiz? 

 

Seit meinem Studienbeginn in Yale bin ich nach wie vor in stetigem Kontakt mit den Trainern in der Schweiz. Die Verschiebung der Olympischen Spiele stellte für mich eine Chance dar. Ich konnte mein Studium im letzten Herbst online weiterführen, währendem ich mit dem Schweizer Riementeam in Sarnen trainierte, von welchem dieses Frühjahr die schnellsten Vier für den Olympischen Vierer selektioniert wurden.

 

Wenn du zukünftigen College-Rudern Athletinnen und Athleten aus der Schweiz einen Tipp auf den Weg geben könntest, wie würde dieser lauten?

 

Beginnt früh genug, euch mit dem Thema auseinanderzusetzen und scheut euch nicht, verschiedene Schulen anzugehen und den persönlichen Kontakt mit den Coaches zu suchen.

Andrin, wir danken dir ganz herzlich für das spannende Interview. Wir wünschen dir viel Erfolg in den letzten Vorbereitungen und dann natürlich an den Olympische Spielen, und hoffen, dass du dann wie geplant dein Studium nächsten Frühling abschliessen kannst.